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Vegetative Störungen bei M. Parkinson


von Dr. med. Wolfgang Klein, Bezirkskrankenhaus Gabersee, Wasserburg am Inn

Obwohl James Parkinson bereits 1814 in seiner Publikation deutlich auf vegetative Störungen als Symptome der von ihm beschriebenen Erkrankung hingewiesen hat, kommen sie bei der neurologischen Untersuchung des Patienten meist zu kurz. Den Patienten beeinträchtigen die Veränderungen seiner autonomen Funktionen jedoch sehr. In der Regel werden sie von nichtneurologischen Disziplinen behandelt, manchmal sogar mit Medikamenten, die der Therapie der Bewegungsstörung entgegen laufen. Die Häufigkeit autonomer Entgleisungen nimmt mit dem Fortschreiten der Erkrankung zu und wird je nach Autor mit bis zu 90 Prozent angegeben. Ursache der Störungen ist eine Degeneration mehrerer Systeme der zentralen Regulation. Beispielhaft werden im folgenden Störungen der kardiovaskulären und der urogenitalen Steuerung sowie der Sexualfunktion besprochen.

Störungen der kardiovaskulären Regulation

Orthostatischer Blutdruckabfall, Benommenheit, Schwindel und Sturzneigung sowie gelegentliche doppelseitige Sehstörungen und Kopfleere können frühe Symptome der Erkrankung sein. Häufig kommt es bei körperlicher Aktivität, z.B. unmittelbar nach dem Treppensteigen, zum Gefühl der Kopfleere und ungerichtetem Schwindel. Charakteristisch sind die Herzfrequenzstarre und ein pathologischer Schellongtest. Hauptverantwortlich für die beschriebene Symptomatik sind zwar die Störungen zentraler Regulationen in der Formatio reticularis und Schädigungen der autonomen Herzregulation. Diese können jedoch durch Flüssigkeitsverlust, mangelnde Aktivität und Arzneimittelnebenwirkungen verstärkt werden (beispielsweise durch Dopaminagonisten und Selegelin, allein und in Kombination). Auch zu Beginn der L-Dopa-Therapie kann es zu Blutdruckabfällen kommen. Als rein sympathisch bedingte Störung tritt gelegentlich noch eine postprandiale Hypotonie hinzu.

     Therapeutisch gilt es zunächst, mit physikalischen Maßnahmen zu helfen und Veränderungen der Pharmakotherapie erst im zweiten Schritt in Angriff zu nehmen. Daher stehen Kneippsche Anwendungen, Stützstrümpfe und aktivierendes Kreislauftraining gemeinsam mit einer vermehrten Flüssigkeitszufuhr an erster Stelle. Auch eine vermehrte Natriumzufuhr mit der Nahrung ist zu erwägen. Medikamentös sollte auf eine Kombination von Dopaminagonisten mit Selegelin verzichtet und evtl. die Dosis der Agonisten reduziert werden. Als weitere Maßnahme kann Midodrin als alpha-Agonist eingesetzt werden. Auf längere Sicht und bei schwereren Verlaufsformen kommt Fludrocortison zum Einsatz.

Störungen der urogenitalen Steuerung

   Bis zu 90 Prozent aller Parkinsonpatienten klagen drei bis vier Jahre nach der Diagnosestellung über Blasenstörungen, die für die Patienten oft unangenehmer sind als Tremor und Bradykinesie. Meist handelt es sich um eine Detrusorhyperaktivität, die mit einer häufigen Entleerung auch kleiner Urinmengen, imperativem Harndrang und gelegentlicher Inkontinenz verbunden ist. Stress- und Urge-Inkontinenz sowie eine schlaffe Blase werden ebenso wie eine Dyssynergie des Beckenbodens und Obstruktion seltener berichtet. Die Detrusorhyperaktivität beruht darauf, dass Steuerungsneurone dopaminerger Strukturen des Hypothalamus und des Nucleus subthalamicus das mesencephale Miktionszentrum unzureichend kontrollieren. Eine genaue Zuordnung der hemmenden Einflüsse der Basalganglien auf das pontine Miktionszentrum existiert bislang nicht.

     Die Therapie hat sich dem Symptom anzupassen. Wie bei den Kreislaufstörungen rangieren physikalische Methoden an erster Stelle. Zu ihnen gehören Blasentraining, Biofeedback und eine verminderte Flüssigkeitsaufnahme am Abend. Nach der urologischen Diagnostik (Blasenmanometrie) können Sympathomimetika wie Midodrin und alpha-Rezeptorenblocker, aber auch L-Dopa in höherer Dosierung eingesetzt werden. Bei Blasenüberaktivität hat sich am besten Tolterodin (Detrusitol®) bewährt. Auch die Tiefenhirnstimulation wirkt offenbar günstig. Anticholinergika sollten wegen ihrer zentralen Wirkung möglichst nicht zum Einsatz kommen. Bei einer Verengung des Sphinkters kann zur Erweiterung bzw. zur Erschlaffung desselben Tamsulosin, Alfuzosin, Phenoxybenzamin und Doxazosin eingesetzt werden. Schwierigkeiten sind zu erwarten bei gleichzeitigem Vorliegen einer benignen Prostatahyperplasie und einer Detrusorhyperaktivität. Die Resektion der Prostata kann bei dieser Kombination zu kompletter Inkontinenz führen.

Störungen der Sexualfunktion

Vier bis fünf Jahre nach Diagnosestellung sind bei Parkinson-Patienten beiderlei Geschlechts auch die Sexualfunktionen häufig gestört. Während eine solche Entwicklung bei der multiplen Systematrophie als Frühsymptom gilt, kommt sie bei Parkinson-Kranken nach einigen Jahren zum Vorschein. Dann werden Libidoverlust und Impotentia coeundi am meisten beklagt. Frauen berichten oft von verringerter Lubrifikation. Im späteren Stadium der Parkinson-Krankheit kommt es bei Männern häufig zu einer erektilen Dysfunktion, während gleichzeitig oft ihre Libido durch Dopaminagonisten gesteigert ist.

    Während Störungen der Sexualfunktion bei Frauen (vor allem älteren) mitunter nachrangig erscheinen, werden sie von  Männern als erhebliche Minderung ihrer Lebensqualität erlebt.

Liegen keine Bedenken aus kardiovaskulärer Sicht vor, kann eine Therapie mit Sildenafil (Viagra®) erfolgen. Orale Apomorphin-Präparate treten wegen ihrer Nebenwirkungen eher in den Hintergrund. Andere Maßnahmen wie Schwellkörper-Injektion, Vakuumpumpen und vasoaktive Substanzen haben allenfalls marginale Bedeutung.

 

Schlussbemerkung: Vegetative Störungen sind häufige Symptome der Parkinsonerkrankung und müssen auch vom Neurologen behandelt werden Falls erforderlich sollten Kollegen anderer Fachdisziplinen hinzugezogen und die therapeutischen Bemühungen abgestimmt werden. Dabei gilt es stets, mögliche Interaktionen der verabreichten Medikamenten zu überprüfen.