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Sexualität Parkinson-Kranker

von Dr. med. Ferenc Fornadi, Ärztlicher Direktor der Gertrudis Klinik Biskirchen

   Mit dem Beginn eines Parkinson Leidens enden sexuelles Interesse und sexuelle Aktivitäten der Betroffenen keineswegs. Allerdings erfordert der Krankheitsverlauf, daß sich die Patienten und ihre Partner auf dessen Besonderheiten einstellen. So müssen Parkinson-Kranke lernen, Freude und Interesse am Partner wie auch an der Sexualität vermehrt verbal auszudrücken, da dies in fortgeschritteneren Krankheitsstadien mimisch und motorisch zunehmend schwerer fällt. Auch ist es wichtig, das Sexualleben mit Fluktuationen der Symptomatik bzw. der Wirkungsdauer der Parkinsonmedikation abzustimmen. Nicht zuletzt hat es sich als hilfreich erwiesen, dem anderen möglichst offen mitzuteilen, was zu stören beginnt (z.B. Ekel vor vermehrtem Speichelfluß). So beugt man zugleich der Gefahr vor, den Partner mit dessen Erkrankung zu verwechseln.

     Nicht nur bei Morbus Parkinson, sondern für das Sexualleben schlechthin gilt die Empfehlung, sich mit dem Partner möglichst offen über das eigene Erleben und das Erleben des anderen auszutauschen, Wünsche an den anderen offen zu äußern und diese zu verhandeln. Solche Gespräche können wie ein Aphrodisiakum wirken und verbessern durchweg die gegenseitige Beziehung. Oft haben sich in langjährigen Beziehungen sexuelle Verhaltensmuster so sehr eingespielt, daß ein Paar von selbst gar nicht mehr auf die Idee kommt, daß sich Sexualität auch anders gestalten läßt. Wenn sich solche Paare gestatten, mit neuem Verhalten zu experimentieren und zum Beispiel die hergebrachten Rollen zu tauschen, muß dies keineswegs mit weiteren Erlebnissen des Versagens verbunden sein („Auch das klappt jetzt nicht mehr!“). Vielmehr können sich beide Partner davon überzeugen, daß es selbst in schwierigen Situationen Lösungen gibt, mit denen es beiden weiterhin gut geht. Was spricht z.B. dagegen, daß selbst nach dreißigjähriger Ehe der bislang passivere Partner künftig die Initiative ergreift, weil der bislang aktivere durch seine Krankheit dazu nicht mehr in der Lage ist?

    Vorerst ist es eher noch die Ausnahme, daß vor allem ältere Paare die „Kunst erotischer Gespräche“ beherrschen. Ihnen ist zu empfehlen, diese mit Hilfe psychologischer oder ärztlicher Unterstützung regelrecht zu üben. In der ärztlichen Beziehung sollte die einfühlsam gestellte Frage nach dem Sexualleben Parkinson-Kranker zur Routine werden. Aufklärung über krankheitsbedingte Einflüsse auf die Sexualität der Betroffenen entlastet vor beschämenden Ängsten (impotent oder frigide zu werden) und schützt vor unangemessener Schonung, die das Selbstwertgefühl nur noch weiter beeinträchtigt.

Einfühlsamer Umgang mit Ursachen

     Die Ursachen eines veränderten Sexuallebens von Parkinson-Kranken lassen sich mitunter nur schwer klären. Denn sowohl das Grundleiden mit eventuellen Begleiterscheinungen (wie etwa einer Inkontinenz), die medikamentöse Therapie, das meist fortgeschrittene Alter als auch seelische Einflüsse können dafür verantwortlich zeichnen. Nicht immer wird man einem Patienten einen Gefallen erweisen, wenn man auf eine behandelbare Ursache tippt. Manche Kranke fühlen sich mehr entlastet, wenn sie z.B. ihre Impotenz auf Faktoren zurückführen können, die außerhalb ihres Einflußbereiches liegen (z.B. Alter, Grunderkrankung). Es ist wichtig herauszufinden, mit welcher „Theorie“ der Patient vermutlich am besten dauerhaft leben kann. Leider sind gerade bei Sexualstörungen viele Therapeuten verleitet, ihre persönlichen Vorstellungen als die „richtigen“ dem Patienten überzustülpen.

Sorgen nehmen

    Zu den häufigsten Sorgen Parkinson-Kranker gehört die Frage, ob sexuelle Aktivität das Leiden verschlimmert. Hier kann man aus ärztlicher Sicht guten Gewissens entwarnen und darauf hinweisen, daß eine gute seelische Verfassung, die ja oft aus einem befriedigenden Sexualleben resultiert, der Krankheitsbewältigung eher nutzt als schadet.

    Sehr häufig werden Ärzte mit der Frage konfrontiert, inwieweit Antiparkinson-Medikamente das Sexualleben beeinflussen. Dann ist es wichtig zu wissen, daß L-Dopa-Präparate, Dopaminagonisten, wie Bromocriptin, Pergolid und Lisurid, die Libido steigern können. Mancher Partner eines Parkinson-Patienten ist dann überrascht und verunsichert, wenn der Kranke trotz höherem Alter plötzlich sexuell aktiv wird. Alleinstehende wissen nicht selten, wie sie mit der neu erwachten Lust umgehen können. Als Arzt sollte man überprüfen, wie erwünscht und bereichernd die neuen Impulse für das Paar bzw. den Kranken sind, um gegebenenfalls Veränderungen der Medikation vorzunehmen oder Verhaltensempfehlungen zum Umgang mit der Lust zu geben. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, älteren Patienten schambedingte Hemmungen (z.B. gegenüber „verbotenen“ Phantasien“ oder masturbatorischen Aktivitäten) kraft ärztlicher Autorität zu nehmen und praktische Tips zu geben (z.B. Empfehlung von Bettwäsche aus Seide, in der sich motorisch beeinträchtigte Kranke leichter bewegen können). Indem man als Arzt selbst offen und sicher die Dinge anspricht, gibt man dem Kranken ein überzeugendes und ermutigendes Beispiel für einen konstruktiven Umgang mit der Thematik.

     Während die bereits genannten Antiparkinson-Mittel sexuell eher stimulieren, hemmen Anticholinergika als weitere wichtige Vertreter der Indikationsgruppe das Sexualleben eher. So werden verzögerte Ejakulationen, eine ungenügende Peniserektion und ein trockenes Scheidenmilieu als mögliche Nebenwirkungen berichtet. Hilft in diesen Fällen eine Änderung der Medikation nicht weiter, sollte man sich nicht scheuen, geeignete Hilfsmittel zu empfehlen (z.B. eine Vakuumpumpe für den Mann oder Gleitcreme bzw. eine hormonelle Behandlung für die Frau). Dies gilt insbesondere auch für Sexualprobleme, die sich als neuropathologische Folgen der Grundkrankheit erklären lassen.

     Von den Laborbefunden kann eine Bestimmung des Prolaktinwertes sinnvoll sein, da sie auf den Testosteronspiegel rückschließen und damit eine Potenzstörung verständlich werden läßt (je höher das Prolaktin um so niedriger das Testosteron).

Sexualität beginnt im Kopf

     Schließlich sollte man bei allen Beratungen darauf hinweisen, daß der Kopf (mit seinem Normen setzenden und Erwartungen schaffenden Denken) das vielleicht wichtigste „Sexualorgan“ ist. Je mehr der Kopf gestattet bzw. je weniger er vorschreibt, um so befriedigender wird Sexualität. Typisches Beispiel einer hinderlichen Überzeugung ist die Klage mancher Parkinson-Kranker, daß keinerlei Spontanität mehr möglich sei, weil das Sexualleben immer unter dem Gesichtspunkt der Wirkungsdauer der Parkinson-Medikation „geplant“ werden müsse.  Eine solche Vorstellung ist nicht nur schmerzhaft, sie bauscht zugleich einen Einzelaspekt unnötig auf: Denn viele Lust erzeugende menschliche Verhaltensweisen sind alles andere als spontan, wie etwa das verführerisch aufgelegte Make up oder der sorgfältig geplante romantische Abend bei Kerzenschein, Musik und mehrgängigem Menue. Nicht zuletzt sollte man nicht vergessen, daß Sex im engeren Sinne keineswegs für alle Menschen unentbehrlich ist. Viele erleben durch andere körperliche Zärtlichkeiten, Flirten und liebevolle Aufmerksamkeiten nicht weniger Lust und Befriedigun