Spanien/USA. Für M. G.
Toro und Kollegen liefert die „Chaostheorie“ auch für wichtige
Nervenleiden wie den Morbus Parkinson und die Depression interessante und
eventuell auch hilfreiche Erklärungsmöglichkeiten. Danach lässt sich
das ZNS als komplexes biologisches System betrachten, indem sich als Folge
äußerer Einflüsse („Informationen“) durch Selbstorganisation
entsprechende Erregungsschleifen bilden. Sie lassen sich beispielsweise
als Korrelat von Gedächtnisfunktionen betrachten und stehen unter der
Kontrolle von (oft hemmenden) Modulatoren (insbesondere Serotonin,
Noradrenalin, Acetylcholin und Dopamin). Verlieren die Modulatoren an
Einfluss, kann es zu „Kurzschlüssen“ bzw. einem Überschießen von
Erregung in den jeweiligen Schleifen kommen. Diese können sich in der
Folge gleichsam verselbstständigen und ihrerseits (im Sinne einer
pathologischen „Anziehung“) auf andere Erregungsschleifen einwirken.
Für die Angemessenheit des hier
nur angerissenen Modells lässt sich vor allem die Effizienz erstaunlich
unterschiedlicher Behandlungsmaßnahmen bei M. Parkinson und Depression
anführen. So ist nicht nur die Substitution von Neuromodulatoren (Dopamin,
Noradrenalin, Serotonin) erfreulich wirksam, gleiches gilt für
chirurgische Eingriffe oder elektrophysiologische Einwirkungen
(Elektrokrampf, Magnetstimulation) oder Methoden wie den Schlafentzug.
Allen Maßnahmen könnte gemeinsam sein, dass sie die „pathologischen
Kurzschlüsse“ unterbrechen und (wie bei einem Computer-Reset) dem
Gehirn die Möglichkeit geben, in den Ursprungszustand zurückzukehren
bzw. eine funktionellere Dynamik herzustellen. Die Erfolgsaussichten der
einzelnen „Unterbrecher“ dürften von mehreren Faktoren abhängen, wie
der Angemessenheit für das jeweilige Problem sowie der Dauer und der
Intensität der Einwirkung.
Ein ähnliches Vorgehen findet
man bei der Elektrokardioversion des Herzens, wenn dort die
Erregungsleitung „verrückt spielt“ und erst ein starker Stromstoß
hilft, in den normalen Rhythmus zurückzukehren. Für Toro und Kollegen
haben Herzarrhythmien, Depressionen und Parkinson-Leiden vermutlich mehr
Gemeinsamkeiten als uns zur Zeit bewusst ist.
M. G. Toro u.a.: Chaos
theories and therapeutic commonalities among depression, Parkinson´s
disease, and cardiac arrhythmias. Comprehensive Psychiatry 1999 (40)
238-244
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